Wie Sie Erkenntnisse aus der Psychologie für Ihre Online Marketingstrategie nutzen

Wie Sie Erkenntnisse aus der Psychologie für Ihre Online Marketingstrategie nutzen

März 26, 2022 Aus Von onlinebusinessmagazin

Psychologische Prinzipien im Online Marketing

Auf den ersten Blick haben die Bereiche Online Marketing / Suchmaschinenoptimierung (=SEO) und Psychologie nicht viel miteinander gemeinsam. So zumindest scheint es, wenn man diese beiden Disziplinen unabhängig voneinander betrachtet. Denken doch die meisten von uns, die das Wort Suchmaschinenoptimierung erstmals hören, eher an Suchalgorithmen und weniger an einen Menschen, der sich von der Suchmaschine Antworten auf seine Fragen erhofft.

Beschäftigt man sich jedoch eingehender mit Online Marketing und SEO, wird man feststellen, dass es dabei nicht um die Manipulation eines Suchalgorithmus, sondern um die bestmögliche Beantwortung folgender Frage geht: Was will der Nutzer wirklich mit seiner Suchanfrage zum gegenwärtigen Zeitpunkt erreichen? Welche Formate sind dafür sinnvoll und in welcher Detailtiefe müssen die Informationen geliefert werden? 

An dieser Stelle kommen Erkenntnisse wissenschaftlicher Prinzipien der Psychologie ins Spiel: Um die Frage nach der Nutzerintention beantworten zu können, muss man den gegenwärtigen „Modus” des Menschen, während er eine Suchanfrage eintippt, verstehen. Nur so kann der jeweilige Nutzer ideal abgeholt werden.

Hierfür liefert die Psychologie drei empirische Modelle:

Das Prinzip der „Zwei Prozesse” (Dual Process Model)

Eines der bekannteren Modelle, welche im Online Marketing zur Geltung kommen, nennt sich das Prinzip der „Zwei Prozesse” und beschreibt sehr realitätsnah, auf welche beiden Arten ein Reiz (eine Information oder auch ein Seiteninhalt) verarbeitet werden kann. Dabei kann man zwischen der schnellen, energiesparenden Variante und seinem Gegenstück, der bewussten und mit mehr Energieaufwand verbundenen, kognitiven Bewertung der Inhalte, unterscheiden.

Wie könnten diese beiden Arten der Reizverarbeitung in der Praxis aussehen? Ein Nutzer, der in der anfänglichen Recherchephase passende Informationen über die Google Suche sucht und Produkte oder Anbieter anhand oberflächlicher Merkmale (z. B. Hochwertigkeit der Produktbilder) unterscheidet, wird diese Information unbewusst dazu verwenden, die Website zu beurteilen. Hierbei ist wichtig, dass der Interessent diese Inhalte zur richtigen Zeit in seinem bevorzugten Format präsentiert bekommt, damit sein Bedürfnis nach – vorerst oberflächlichen Informationen – gestillt wird. 

Berücksichtigt man nun diese Besonderheiten der Reizverarbeitung im Laufe der Customer Journey, könnte eine darauf abgestimmte Content Strategie für ein beliebiges Produkt folgendermaßen aussehen: Im ersten Schritt bzw. in der Informationsphase werden die wichtigsten Produktinformationen in einem kurzen Erklärvideo zusammengefasst, sodass der Interessent eine grobe Vorstellung von dem Produkt bekommt und die wichtigsten Fragen beantwortet werden können.

Müsste er sich in dieser Phase schon mit zu vielen, in diesem Moment noch irrelevanten Produktdetails beschäftigen, bestünde die Gefahr, dass der potenzielle Kunde zu viele unpassende Reize bzw. Informationen erhielte, was ihn in diesem Moment „überfordern” würde, sodass der Energieaufwand für die unbewusste Verarbeitung dieser Reize zu groß wäre. So könnte es passieren, dass er schließlich -statt zu bestellen- von der Seite abspringt und nach einem alternativen Anbieter sucht.

Zum Ende der Customer Journey (Informationsphase ist abgeschlossen, konkrete Produkte werden verglichen) findet der Interessent aus unserem Beispiel eine ausführliche Produktbeschreibung mit zahlreichen Details vor (in Textform oder als Video), die ihn von dem Produkt überzeugen und zum Kaufabschluss animieren sollen.

Bei der Bereitstellung von Inhalten auf einer Website, wie zum Beispiel auf einer Landingpage, sollte man also unbedingt analysieren, an welcher Stelle sich der Nutzer im Conversion-Funnel befindet. Ist der Nutzer in diesem noch nicht weit vorangeschritten und noch in der Sichtungsphase (vgl. Attention Phase im „AIDA Modell”), ist Detailtiefe noch nicht gefragt. Stattdessen wird an dieser Stelle entschieden, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung implizit, also unbewusst, als „gut” oder „schlecht” kategorisiert wird.

Es erfolgt eine Einteilung in ein erlerntes Schema, im Volksmund auch Schubladendenken genannt, wobei folgende Fragen im Vordergrund stehen:

  • Kann ich mich mit dem Anbieter identifizieren?
  • Haben wir Gemeinsamkeiten? 
  • Bin ich die richtige Zielgruppe?
  • Kann ich mich mit der Firma durch gemeinsame Werte und / oder vergleichbare Probleme assoziieren?

Anhand dieser Fragen ist eine schnelle Kategorisierung und Bewertung des Inhalts möglich. Aus Anbietersicht sollte das Ziel also darin bestehen, den potenziellen Kunden dabei so zu unterstützen, dass er diese Fragen möglichst schnell beantworten kann. Und zwar möglichst ohne Unterbrechungen des Aufnahmeprozesses durch Ablenkungen (zu viel Text, zu viele Calls To Action etc.).  Zu dieser Art der „mentale Abkürzungen” (Heuristiken), also (oftmals ungeprüfte) Überzeugungen (sogenannte „Glaubenssätze”) und allgemeine Zustimmung abbildende Merksätze wie „Experten haben immer Recht“ oder „Trustsiegel stehen für Expertise”.

Überzeugungstaktik (Persuasion Tactics)

Solche Beispiele für mentale Abkürzungen können aber auch eine andere Funktion haben: Taktisch klug auf einer Landingpage platziert, sollten sie aus Interessenten möglichst viele zahlende Kunden machen. Der dahinter liegende, in der Marketing Szene recht verbreitete psychologische Ansatz, lässt sich am besten mit Taktiken der Überzeugung (Persuasion Tactics) beschreiben. Es geht hierbei darum, den Nutzer (Interessenten) durch Prinzipien wie Autorität („Experte X empfiehlt unser Produkt”), soziale Bewährtheit („Milchprodukte sind gesund”) oder auch Knappheit („Wir sind fast komplett ausgebucht”) von einem Produkt oder einer Dienstleistung zu überzeugen. Weitere relevante Mechanismen sind in diesem Zusammenhang: 

  • Reziprozität (Der Kunde bekommt einen Rabatt geschenkt und erhöht als Reaktion darauf den Bestellwert durch ein weiteres Produkt)
  • Commitment und Konsistenz (Der Kunde verhält sich konsistent, wenn er sich zuletzt für ein Markenprodukt entschieden hat und sich auch in Zukunft immer wieder dafür entscheiden wird)
  • Sympathie (Wird uns ein Produkt von einer Person empfohlen, die wir mögen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass wir es kaufen) 

Natürlich ist je nach Thema oder Produkt auch eine Kombination dieser Prinzipien denkbar und ggf. auch sinnvoll, um eine höhere Conversion Rate zu erzielen. So ließen sich diese Prinzipien auf einer „idealen” Landingpage, die jedes Prinzip abdeckt, folgendermaßen realisieren: 

Beispiel: Eine (fiktive) Firma bietet Beratung im Bereich Informationssicherheit und eine dazu passende Softwarelösung an. Auf ihrer Landingpage sieht man den Schriftzug „Zertifiziert nach ISO 9001” (Trustsiegel) und Expertenzitate („Als Senior Informationssicherheitsbeauftragter kann ich diese Software uneingeschränkt weiterempfehlen” = Autorität). Darüber hinaus wird dem Interessenten ein kostenloses Erstgespräch (30 Minuten) angeboten und hiermit ein kostenloser Mehrwert geschaffen (das Prinzip des Reziprozität). Auf der Landingpage erfährt man außerdem, dass die Softwarelösung nur noch „diese Woche zum Vorteilspreis“ erworben werden kann (Knappheit). Ist der Interessent nun neugierig geworden und hat auf „Mehr erfahren” geklickt, öffnet sich neben der Infobox ein weiteres Fenster mit dem Schriftzug „Sie interessieren sich für unsere Software? Richten Sie sich jetzt einen kostenlosen Testaccount ein!” (Konsistenz). 

Die Firma schafft es auch, Sympathie für sich zu wecken, da der Leser erfährt, dass sie regelmäßig einen Teil ihres Budgets Hilfsorganisationen zukommen lässt. 

Schließlich werden über einen Testimonial-Bereich positive Erfahrungen anderer Kunden geteilt (soziale Bewährtheit).

Verzerrungen der Wahrnehmung (Cognitive Bias)

In einigen Fällen kann es passieren, dass solche mentalen Abkürzungen zu Verzerrungen der Wahrnehmung (Cognitive Bias) führen. Auch diese Effekte kann man sich im Online-Marketing gezielt zunutze machen. 

Dabei spielen vor allem sogenannte Bestätigungsfehler, besser bekannt als Confirmation Bias, eine wichtige Rolle. Damit gemeint ist die Tendenz von Menschen, häufiger jenen Informationen zu folgen, welche die bereits bestehenden Überzeugungen bestätigen. Da solche Wahrnehmungsverzerrungen zu einer schnelleren und einfacheren Entscheidungsfindung beitragen, erfreuen sie sich bei Online Marketern großer Beliebtheit. 

Um die Überzeugungen des potenziellen Kunden möglichst gut zu verstehen, kann sich die Erstellung sogenannter Personas als hilfreich erweisen. Dabei handelt es sich um fiktive Profile eines typischen Kunden, anhand derer Probleme bzw. Wege, diese Probleme mithilfe eines Produktes oder einer Dienstleistung zu lösen, analysiert werden können. Deshalb ist die Erstellung einer oder mehrerer Personas grundlegend für die Entwicklung von Online Marketing Strategien.

Davon zu unterscheiden ist der serielle Positionseffekt, auch Primacy-Recency-Effekt genannt. Dieses psychologische Gedächtnisphänomen beschreibt die Tatsache, dass Informationen, welche zuerst oder ganz am Ende (z.B. in einem Vortrag, Video oder Text) aufgenommen werden, besser in Erinnerung bleiben, als Informationen, die in dem Abschnitt dazwischen eingehen. Im Online-Marketing wird dieser Effekt beispielsweise genutzt, indem besonders wichtige Informationen und  Begriffe am Anfang (z. B. im ersten Absatz eines Blogartikels) vorkommen. Ende eines Werbetextes findet man oft eine Zusammenfassung der wichtigsten Informationen und Details und / oder einen Call To Action, welcher die nächste Phase einer Customer Journey einleiten soll.

Natürlich sollte man im Online Marketing versuchen, diese psychologischen Modelle stets zu berücksichtigen und wenn es sinnvoll ist, auch anzuwenden, denn selbst eine bereits sehr gut aufgestellte Marketingstrategie lässt sich oft noch weiter optimieren, wenn man mit Hilfe der oben genannten Erkenntnisse und Modelle das (Such-)Verhalten seines potenziellen Kunden noch ein Stück weit besser verstehen und bedarfsgerecht unterstützen kann.

Über den Autor:

Christian Eichhorn ist Gründer von SEO Monkey, einer SEO Agentur aus Köln. Er ist studierter Psychologe, SEO-Nerd und berät Unternehmen mit Expertise und Engagement darin, ihren Umsatz durch bessere Google-Platzierungen zu steigern. Dabei kommen neben Best Practices auch wissenschaftlich erwiesene Prinzipien der Psychologie zur Geltung. Sein thematischer Fokus liegt auf der Keyword-Planung, Content-Optimierung und der Erstellung ganzheitlicher SEO Strategien.

 

 

 

Quellen: 

Chaiken, S., & Trope, Y. (2000). Dual-process theories in social psychology. Guilford Press.

Cialdini, R. (2001). Principles of persuasion. Arizona State University, eBrand Media Publication.

Gigerenzer, G. (1991). How to make cognitive illusions disappear: Beyond “heuristics and biases”. European review of social psychology, 2(1), 83-115.

Glenberg, A. M., Bradley, M. M., Kraus, T. A., & Renzaglia, G. J. (1983). Studies of the long-term recency effect: Support for a contextually guided retrieval hypothesis. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 9(2), 231.

Deese, J., & Kaufman, R. A. (1957). Serial effects in recall of unorganized and sequentially organized verbal material. Journal of experimental psychology, 54(3), 180